Amy Antin

Singesongwriterin

amyantin@aol.com  




Gelebter Traum und Widerspruch.

Widersprüche! Das paßt! Sie liebt das Kreuz als Symbol universeller Liebe und wurde unter dem Davidstern geboren. Wurde von ihrem Musicalbegeisterten Dad nach einer populären Melodie ("Once In Love With Amy") benannt, träumte mit 14 von einer Broadway-Karriere, komponiert aber heute Songs von solch fragiler Schönheit, daß selbst hartgesottenen Machos die Tränen kommen.

Es paßt, daß sie als Intellektuelle über Roland Barthes promovierte, kurzfristig einen Job als Dozentin in NYC antrat, dann aber der Sicherheit einer bürgerlichen Existenz leise Adé sagte und nicht ihrem Beruf, sondern ihrer Berufung folgte.

Das Ergebnis kann man jetzt auf "Ain't Cut To Measure". der ersten CD von Amy, nachhören. Dort versammelt die polyglotte Amerikanerin mit Wohnsitz in Köln 14 selbstverfaßte Songs, die - wie es der Titel besagt - eben "nicht maßgeschneidert" sind: "Normalerweise verwischt man bei Aufnahmen die Spur seiner Fehler, bessert aus, wenn's nicht so gut geklappt hat. All das habe ich vermieden. Ich habe mit voller Absicht den 'human error factor' erhalten. Aus diesem Grund klingt "Ain't Cut..." wohl auch so verletzlich.

Verletzlichkeit - ein Stichwort, das zu den Anfängen zurückführt: nach New York City. Amy Antin, geborene Eisenberg. ist die mittlere von drei Töchtern. "Wir hatten ein Haus auf Long Island. zwei Autos - so wie alle, die damals etwas auf sich hielten." Amys Vater spielte Klavier, aber Musik war bloß ein Freizeitvergnügen und keine ordentliche Profession. Amy besaß eine Ukulele, liebte "My Fair Lady" und "Fiddler On The Roof". Aber das war's auch schon. Die Initialzündung begann mit dem Tod meiner Großmutter. Sie hinterließ uns ein bißchen Geld, und ich bekam meine erste Gitarre."

Aber so einfach ist das nicht mit den Jungmädchenträumen.

"Rückblickend", sagt sie schmunzelnd, "war alles ein einziger langer Umweg. Denn immer, wenn ich singen wollte, sagten meine Eltern, ich solle doch weiterstudieren." Amy war - trotz aller trotzigen Individualität - ein typisches Kind ihrer Zeit. Ein Che-Guevara- Poster hing über ihrem Bett. Ihr Herz schlug ganz weit links, und sie hatte allen Ernstes vor, "Lateinamerika zu retten". Sie reiste nach Mexiko, lebte in Brasilien und kam auf ihren Umwegen schließlich nach Paris. "Ich lernte Französisch, sang Jacques-Brel- Songs und traf meinen späteren Mann Jacques Antin, mit dem ich fünf Jahre verheiratet war."

Einmal noch versuchte Amy, den sicheren Weg zu gehen, kehrte in die Staaten zurück, machte ihr Masters Degree und dann ihren Doktor, um schließlich doch ihren Traum zu leben.

Eine Schlüsselfigur in diesem Zusammenhang hieß Claudio, seines Zeichens Industriedesigner aus Brasilien. "Er sagte mir:´Du bist keine Literaturdozentin, du bist eine Songwriterin.´ Er buchte ein Studio und finanzierte das "Projekt One", wie ich es nenne. Er hat mich Damals auf die Spur gesetzt."

Diese führte nach Köln. "In Frankreich konnte ich mit englischen Texten nicht landen. Hierzulande ist man da weit offener." Dennoch war der Anfang in Köln nicht einfach. Amy schlug sich durch als Texterin für andere Künstler - und vermied es an der Uni wegen eines gut dotierten Jobs anzurufen. Die Mühe und das Warten haben sich gelohnt, "Ain't Cut To Measure", im Alleingang aufgenommen, lebt von dieser Intimer Trauer, die gute Songschreiber in Worte und Musik fassen können. Die Auseinandersetzung mit den Liedern offenbart: Es handelt sich um Liebesgeschichten, die Geschichte der Liebe. die Liebe zu Geschichten. Die Sprache vereint Poesie Alltagsslang. Antin ist präzise bei der Anatomie der Emotionen, sie legt Verborgenes frei und reduziert Erkenntnisse auf einen einzigen Satz. Ihr Schwanken zwischen selbstbehaupteter Hoffnung und real existierender Verzweiflung erzeugt eine Spannung. die nur erträglich ist, weil sie in Form wunderbarer Melodien daherkommt.

Amy Antin ist eine dieser Suchenden. Sie hat Heimweh nach einem Land, das es gar nicht gibt, aber an das sie unerschütterlich glaubt, Was man auf Ain't Cut To Measure. hört, ist so etwas wie mein Gespräch mit dem Universum", sagt sie und schaut einen unvermittelt an. Ich wollte gegen nichts rebellieren. Ich wollte mich nur ausdrücken. und das ohne jeden Kompromiß."

Amy Antin erreicht mit einem Minimum an Mitteln das Maximum an Ausdruck. Mit einer Stimme, die zwischen 'zart' und 'bestimmt', zwischen brüchiger Intensität und nervöser Energie changiert und sagt: 'Schmerz und Freude sind Geschwister'. Widersprüche passen zu ihr.


Matthias Niese ©