Cologne Concert Big Band

Das Jazz Orchester der Kölner Philharmonie

Es mag eine Binsenweisheit sein, aber sie wird immer noch zu wenig beachtet: Eine Big Band ist mehr als die Summe ihrer Mitglieder. Es genügt nicht, eine Reihe von sehr guten Musikern zu verpflichten und ihnen passable Arrangements auf die Pulte zu stellen, um einen wirklichen eigenen, lebendigen Big Band-Sound zu erreichen. Da muß mehr in der Band sein, eine menschliche Homogenität, ein Aufeinander-eingestimmt-sein, das künstlerisch zum Tragen kommt.

Daß das bei der Cologne Concert Big Band funktioniert, erkennt deren Leiter Uli Launhardt schon an der Spontaneität der Zusagen, die er erhält, wenn er gesuchte Solisten wie Peter Weniger wegen eines Projekts anruft und dabei neben verlockendem Teamwork ein allenfalls durchschnittliches Honorar bieten kann. Auch ein Hörer, der sich nicht zu den Insidern der Jazz-Welt zählt, erkennt beim Konzert rasch, daß da Musiker zusammenspielen, die sich verstehen und ohne komplexe Absprachen musikalisch aufeinander eingehen können. Auf der Bühne herrscht nicht die Routine eines »Gigs«, sondern Spielfreude und Musikantentum im besten Sinne des Wortes.

Es gibt noch eine Binsenweisheit: Eine hochkarätige Big Band braucht ein eigenes künstlerisches Profil. Es gibt viele gute Bands, die bei Open-Air-Events und Ballveranstaltungen mit einem leidlichen Unterhaltungsrepertoire aufspielen können, und es gibt hochkarätige Bands, deren Programme eine eigene Identität haben - Bands, die man ebenso an ihrem Sound wie an ihren Arrangements erkennen kann. Die Cologne Concert Big Band steht für unverwechselbare Programmlinien, wie sie bereits bei den Big Bands von Duke Ellington bestachen, wie sie Jimmy und auch Tommy Dorsey hervorbrachten, wie sie den Orchestern von Artie Shaw ein eigenes Gepräge verliehen.

In Köln hat vor vierzig Jahren die Kenny Clarke-Francy Boland-Big Band vorgemacht, wie man sich nicht nur durch Top-Musiker, sondern auch durch eine eigenständige, qualitätsvolle Arrangement-Linie eine große Anhängerschar erspielt. Und so hat es auch die Cologne Concert Big Band in wenigen Jahren geschafft, ein eigenes Profil zu gewinnen. Ursprünglich hieß sie KölnMusik Big Band, und so galt es, gegen das Image einer Philharmonie-eigenen Formation für besondere Gelegenheiten anzuspielen und sich als eigenständiger Klangkörper zu etablieren.

Die Idee zur Gründung einer solchen Kölner Band war 1992 während der Vorbereitung eines Konzerts der Berlin Big Band mit Caterina Valente zum Gedenken an Kurt Edelhagen aufgekommen. Aus diesem Projekt heraus entstand die Kölner Band, die am 15. Januar 1993 ihr Debüt mit Gaststar Greetje Kauffeld in der Philharmonie gab: Im Saxophonsatz Ferdinand Povel, Heinz Kretzschmar, Heinz von Hermann, Peter Weniger und Steffen Schorn, an den Trompeten Jan Oosthof, Tony Fisher, Thomas Vogel, Hanne Wilfert und Stefan Zimmermann, an den Posaunen Cliff Hardie, Bart van Lier, Ludwig Nuss, Manfred Gätjens und Launhardt selbst, am Klavier Bora Rokovic, am Bass Jean Warland, am Schlagzeug Kees Kranenburg. Die musikalische Leitung lag bei Cliff Hardie.

Große Sänger ließen sich fortan von der Band begleiten, so Madeline Bell, Sylvia Vrethammar, Sylvia Droste und Georgie Fame - es waren bejubelte Auftritte, von denen mancher auch auf CD vorgelegt wurde, doch es zeigte sich, daß da mehr als ein Begleitorchester der führenden rheinischen Konzerthalle spielte. Fast zwangsläufig wurde aus der Haustruppe eine Concert Big Band neuen Namens. Nicht zwangsläufig war, daß sie sich binnen kurzem »frei spielte«

Das überraschend eigenständige künstlerische Profil bewirkte auch Jerry van Rooyen, der die Band über viele Jahre geführt hat. Er schrieb etliche jener Bearbeitungen, die dem Orchester den eigenen »touch« gaben. Ihm verdankt die Cologne Concert Big Band zudem die Suite »Colours«, die sie zum Kernstück eines eigenen festen Repertoires nehmen konnte. Oder die so vitale wie subtile Komposition »Dedicated To Pablo« (Picasso zugeeignet), der bei ihrer Erstaufführung und -einspielung der Esprit dieser Big Band durch Soli von Marc Godfroid (Posaune), Ralf Hesse und Ack van Rooyen (Flügelhorn) sowie Kees Kranenburg (Schlagzeug) eingehaucht wurde.

Jerry van Rooyen und Uli Launhardt sorgten aber auch dafür, daß junge Arrangeure gewonnen wurden, die den Musikern auf den Leib schreiben, die sich dabei auch selbst Sporen verdienten. Wieland Reissmann ist einer von ihnen. Reissmann schrieb der Cologne Concert Big Band die Suite »Memoria«, die im Januar 1998 in der Kölner Philharmonie uraufgeführt wurde. Uli Launhardt legt großen Wert darauf, mit jüngeren Musikern und Komponisten zu arbeiten. Zum Anknüpfen an die großen Traditionen amerikanischer Bands gehört die Kraft der Innovation, wenn man nicht nur überkommene Hülsen vor sich her tragen will. Warum nicht auf junge Musiker setzen, die in verschiedenen stilistischen Lagern arbeiten, um Innovationen möglich zu machen? Allein das gewährt auf lange Sicht, daß die Cologne Concert Big Band nicht kantenlos unter einer Vielzahl von Ballorchestern rangiert, sondern eine anerkannte künstlerische Formation bleibt.


Matthias Niese ©